Der Zivildienst in Idstein stellte eine Weiche für mein Leben. Vor dem Haus, in dem ich arbeitete, floss der Wörsbach. Eines Tages beschloss ich, ihm zu folgen und zu schauen, wo er in die Lahn mündet.
Br. Friedrich Neumüller So kam ich nach Gnadenthal und sah auf dem Berg ein neu gebautes zwölfeckiges Haus. Ich schaute es an und merkte, dass es noch nicht fertiggestellt war. Jemanden, den ich hätte fragen können, fand ich nicht. So kam ich einige Wochen später noch einmal, um mehr zu erfahren. Diesmal traf ich eine junge Frau, traute mich aber nicht, sie anzusprechen. Wieder einige Wochen später fand ich in der Zeitung die Notiz, dass in Gnadenthal ein Stille-Zentrum eröffnet worden sei. So ging ich erneut dorthin, und diesmal fand ich Menschen, die mir etwas über ihr Leben erzählten. Es waren die ersten Brüder, die bereitwillig Auskunft gaben. Manches gefiel mir – so z. B. dass jeder Bruder mal alles machen müsse, es also keine Spezialisten gäbe. Der Büroarbeiter müsse gelegentlich auch kochen oder im Garten arbeiten.
Ich nahm einen Prospekt über die Lebensschule mit, einem Jahr, in dem man mit den Brüdern zusammen lebt und arbeitet. Da Bedingung eine abgeschlossene Ausbildung oder Studium war, erlernte ich zunächst in Berlin den Beruf des Industriekaufmannes.
In dieser Zeit hatte ich nach Gnadenthal geschrieben und gefragt, ob ich wieder zu Besuch kommen könne. Die Brüder schickten die Einladung zum Pfingstmosaik 1973, an dem ich dann teilnahm. Am Samstag lautete das Thema: Jesus lebt – ein Grund um umzudenken. Das sprach mich an. Ich merkte, dass mein Denken falsch war. Es hat einfach nicht für möglich gehalten, dass Jesus existiert und dass er auch mit meinem Leben etwas vorhat.
Nach dem Vortrag schien es mir, als ob ein Scheinwerfer aus dem Himmel auf mich gerichtet war und eine Stimme sagte: „Du bist gemeint!“ Da fiel mir Tante Maria ein, die früher oft sagte: „Ich bete für dich, dass du einmal Priester wirst.“ Dass ich nun Priester werden müsse, war mir nicht klar, aber dass ich von jetzt an mit Jesus leben muss – das war mir schon bewusst.
Ich hatte Angst, dass ich gleich an Ort und Stelle Bruder werden müsse. Das war mir dann doch etwas zu schnell. So fuhr ich nach Berlin zurück, ging wieder sonntags zur Kirche, aber so, als ob ich zum ersten Mal von Jesus hören würde. Es war alles wie neu.
1974 war meine Ausbildung beendet, und ich kehrte in meine Heimat München zurück, lernte die verschiedensten Gruppen und Geistlichen Gemeinschaften kennen und dachte wieder an Gnadenthal und sagte mir: Dort hat alles angefangen. Deshalb fuhr ich im Januar 1975 dort hin und meldete mich nach mehreren Gesprächen zur Lebensschule im Herbst an.
Im Frühjahr 1976 wusste ich: Jetzt muss ich mich entscheiden, ob ich ein ganzes Leben lang als Bruder hier leben will. Ich ging in die Stille und dachte mir etwas aus, wie ich das prüfen könnte. Ich war damals schon begeisterter Jogger und lief im Wald oberhalb von Gnadenthal meine Runden. Ich konnte zwischen 1 und 5 Runden laufen, je nachdem wie viel Zeit ich hatte. Ich sagte mir, ich laufe 3 Runden und warte, ob mir das jemand bestätigt. Und tatsächlich: Es kamen mir Leute entgegen, die sagten: „Sie laufen doch immer 3 Runden.“ Also, einen deutlicheren Wink konnte es nicht geben, und so wurde ich im Oktober 1976 zum Bruder in der Jesus-Bruderschaft eingekleidet.
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