Pressespiegel:

50.jähriges Jubiläum

Christliche Lebensgemeinschaft, eine Kommunität – das ist die Jesus-Bruderschaft in Gnadenthal: ökumenisch, konfessionsverbindend für Schwestern, Brüder und Familien. Vor 50 Jahren ließ sie sich hier nieder. Und das wurde mit einer großen Schar an Besuchern und Gratulanten gefeiert.

Von Gundula Stegemann

Gnadenthal. Vor 50 Jahren brachte Schwester Magdalene Welsch ihre kommunitären Freunde mit nach Gnadenthal – zur Unterstützung ihrer Eltern bei der Zwetschgenernte. Auf dem Acker am Waldrand erwarben die Freunde per Handschlag den elterlichen Hof. So ließen sich die ökumenisch lebenden Schwestern, Brüder und Familien der Jesus-Bruderschaft hier nieder und machten das kleine Dorf im Wörsbachtal zu einem Synonym für einen Ort modernen Glaubens, gelebter Ökumene. Heute ist Gnadenthal für Christen verschiedener christlicher Konfessionen – lutherische, reformierte, katholische, anglikanische, freikirchliche – ein Ort der Begegnung, ein Ort der Besinnung, des Austauschs, der Impulse, ein Ort zum Auftanken…
50 Jahre Jesus-Bruderschaft in Gnadenthal ein Grund zum Feiern – mit zahlreichen Gästen, mit Freunden und Weggefährten. Die Schar der Gratulanten – riesengroß, darunter auch die beiden zuständigen Bischöfe: von evangelischer Seite Bischof Dr. Christoph Meyns, Beauftragter des Rates der EKD für den Kontakt zu den Kommunitäten, und von katholischer Seite der Bischof von Limburg, Dr. Georg Bätzing. Im Rahmen eines Erntedank-Gottesdienstes würdigten die beiden Bischöfe in einer Dialog-Predigt Gnadenthal als Ort gelebter Ökumene.
„Gäbe es Gnadenthal nicht, man müsste es erfinden“, so Bischof Christoph Meyns. Gnadenthal sei eine Art Lebensgemeinschaft. „Vielleicht ist Gnadenthal ja unser Limburger Emmaus“, ergänzte der Limburger Bischof Georg Bätzing und nahm damit Bezug auf eine Lesung während des Gottesdienstes, in der die Emmaus-Geschichte vorgetragen worden war. „Der Weg hierher ist nicht das Ziel, aber der Weg hierher ist die Chance, Jesus zu finden.“ Es sei ein Ort der Gnade, so der Limburger Bischof, an dem Christen verschiedener Konfessionen zusammen versuchten, ihr Leben miteinander aus dem Glauben heraus zu gestalten und Jesu Weg, Wahrheit und Leben sichtbar werden zu lassen. Er sei wie Meyns der Auffassung, dass aus diesen Gemeinschaften heraus wahrscheinlich auch die große Ökumene der Zukunft wachsen wird. „Ich glaube, aus der Erfahrung gottesdienstlichen Lebens, wie es hier gepflegt wird im gemeinsamen Gebet und Feiern miteinander, aber auch in der Pflege der unterschiedlichen liturgischen Traditionen, wächst, was wir für uns alle erhoffen: eine Gemeinschaft am Altar Jesu Christi, an der wir alle teilhaben dürfen, hoffentlich in nicht allzu langer Zukunft.“
Bischof Meyns betonte, dass auch ihm die Ökumene sehr am Herzen liege, schloss dabei auch die vielen kleinen christlichen Konfessionen mit ein, darunter die Baptisten und die Freikirchen. Ökumene werde einerseits vor Ort schon ganz stark gelebt und an vielen Stellen auch viel weiter, als die amtsoffizielle Ebene es vermuten ließe. Insgesamt habe es seit dem 16. Jahrhundert viel mehr Kontakte über die Konfessionsgrenzen hinweg gegeben, als man das heute vermuten würde. Und in die Gegenwart gerichtet sagte er: „Die Ökumene des Gebetes ist, glaube ich, das, wo eine Tiefe wächst.“ Ökumenische Gemeinschaft bedeute keine Uniformität, sondern Vielfalt der Ausdrucksformen von Glauben. „Wie ärmer wäre unser Land, gebe es nur evangelisch oder nur katholisch.“ Wichtig sei zusammenzustehen, gerade jetzt, wo Zeiten radikalen Wandels vor uns liegen. Umso dankbarer sei er für den Beitrag der Jesus-Bruderschaft für die Ökumene, für die Vertiefung der Gemeinschaft zwischen den Konfessionen. „Wenn der Geist nicht weht, ist die Kirche nicht mehr Kirche.“
Der Nachmittag war voll mit einem bunten Programm, durch das Vorstandsvorsitzende Jutta Ebersberg und Bruder Franziskus führten. Pröbstin Annegret Puttkammer sprach über das Thema „Was bedeutet die Jesus-Bruderschaft in Gnadenthal für die Gesellschaft und die Kirche?“ Dies erkundete sie mit einem gedanklichen Rundgang durch das kleine Dorf mit seinem Dorfplatz, der Galerie, Äbtissinnenhaus, Klosterkirche, dem Friedenshaus auf dem Friedhof und weiteren Kapellen im Schwestern- und Brüderhaus… Gnadenthal – ein kleiner Ort mit hoher Kapellendichte, stellte sie fest. Sie lobte das kulturelle Wirken der Jesus-Bruderschaft, ihr Engagement für Schönheit, für Kunst und Kultur. Kommunitäre Lebensgemeinschaft sei dabei nicht einfach der Himmel auf Erden und der Hort des ewigen Friedens. Es sei auch keine „heilige WG“ und erst recht keine fromme Form von „Betreutem Wohnen“. Geistliche Existenz in der Gemeinschaft sei wohltuend, aber oft auch anstrengend und erfordere Durchhaltewillen, Ausdauer und Mut.
Viele Gratulanten aus Kirchen und Politik, Nachbarn, Freunde und Weggefährten kamen zu Wort. „Ohne Schwester Magdalene säßen wir heute nicht hier“, gab Pfarrerin Susanne Holz-Plodek aus Dauborn, zu deren Gemeinde die Jesus-Bruderschaft gehört, zum Besten. „Wäre Schwester Magdalene nicht in unserer Kirchengemeinde aufgewachsen und geprägt worden, wäre die Jesus Bruderschaft nicht nach Gnadenthal gekommen. Es gäbe sie vielleicht, aber eben anderswo und anders.“ Ihr Fazit: „Ohne uns gäbe es euch so heute nicht. Aber auch ohne euch wären wir heute andere.“ Die Jesus-Bruderschaft habe einen Ort geschaffen, der auch für andere Menschen ein Sehnsuchtsort geworden ist, weil sie sich hier wohlfühlen. „Sie haben diesen Sehnsuchtsort geschaffen mit dem, was Menschen ausmacht: mit Ideen und Wünschen, mit Irrtümern und Korrekturen, mit Erfolgen und Abschied.“
Erfrischend – die Rede der Hünfeldener Bürgermeisterin Silvia Scheu-Menzer, die erzählte, wie sie in Dauborn aufgewachsen ist und in Gnadenthal einen Teil ihrer Kindheit und Jugend verbrachte. Sie dankte der Jesus-Bruderschaft für ihr Wirken in Gnadenthal, wie sie den kleinen Ort bis heute gestaltet und mit Leben füllt. steg

Jesus-Bruderschaft in Gnadenthal
Als im Herbst 1969 eine Gruppe Schwestern und Brüder der 1961 gegründeten Jesus-Bruderschaft anlässlich einer Zwetschgenernte nach Gnadenthal kam, war ihnen schnell klar, dass sie am richtigen Ort angekommen sind. Auf dem Hügel oberhalb des fast 800 Jahre alten ehemaligen Zisterzienserinnenklosters, auf dem Kartoffelacker, wurde der Kauf eines Hofes mit Stall, Vieh und allen Maschinen am 3. Oktober 1969 besiegelt. Seitdem hat sich viel getan: Nach und nach konnten weitere Gebäude in Gnadenthal erworben werden. Behutsam hat die ökumenisch ausgerichtete Jesus-Bruderschaft die historischen Gebäude saniert, teilweise umgestaltet und neu belebt. Auf dem Hügel gegenüber dem Ort entstanden das Brüder- und das Schwesternhaus sowie das „Haus der Stille“. Zur Kommunität gehören heute die Buchhandlung, die Galerie, eine Bioland-Landwirtschaft sowie die Gästehäuser „Haus der Stille“ und „Nehemia-Hof“. Regelmäßig finden in Gnadenthal Einkehr- und Stille-Tage, Konzerte, Lesungen und Kunstausstellungen sowie Freizeit- und Umweltbildungsangebote für Kinder und Jugendliche statt. Die Jesus-Bruderschaft trägt mit ihrem vielseitigen Programm zur kulturellen Lebensqualität in der Region bei. „Und wer ganz einfach in der herrlichen Landschaft des Goldenen Grundes zu sich finden will, der ist hier genau richtig.“


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Gundula Stegemann

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